Kasseler Denkanstöße: Veranstaltung widmete sich dem Thema Queer
„Sich zu trauen, lohnt sich“
KASSEL. Was bedeutet es für queere Menschen, in unserer Gesellschaft zu leben und wie können pädagogische Fachkräfte sie auf ihrem Weg begleiten? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das neue Veranstaltungsformat Kasseler Denkanstöße, zu dem das Berufsbildungswerk Nordhessen (BBW) und die Staatliche Berufsschule im BBW erstmalig in den Standort Glockenbruchweg eingeladen hatten.
Inwieweit das Thema LGBTQIA+ in der Schule und im BBW präsent sei, wollte Moderator Thomas Korte einleitend von Schulleiterin Karola Vahland und Christine Sauer, Leiterin des BBWs, wissen. „Das Thema ist bei uns Realität“, betonte Vahland, weshalb sich beide für den Veranstaltungsschwerpunkt „Queere Denkanstöße für die Arbeit mit jungen Menschen“ entschieden hatten.
Referentin Nora Dahmer stellte gleich zu Beginn ihres Vortrags klar: „Es ist kein Modethema.“ Sie wolle mit ihren Vorträgen Mut machen, Brücken brauchen, Vorurteile revidieren und Licht in den Dschungel bringen. „Im überwiegenden Teil der Gesellschaft passt die Genetik zur Identität. Bei manchen aber nicht“, so Dahmer. Anhand ihres eigenen Lebensweges machte die trans Frau deutlich, wie sich ein Mensch fühlt, der in einem nicht passenden Körper geboren wurde. „Ich wusste schon mit 14, dass ich eine Frau bin. Ich wusste aber nicht, dass es so etwas wie mich gibt. Also habe ich es weggesteckt und konditioniert.“ 30 Jahre lang führte sie als Mann eine glückliche Ehe mit zwei Kindern, war beruflich erfolgreich und gesellschaftlich integriert. Gesundheitliche Probleme waren unter anderem Auslöser für ihr Coming-out vor einigen Jahren. Ihre Offenheit und ihr Mut lohnten sich. „Die gesundheitlichen Probleme waren verschwunden und ich fühlte ein ICH-Glück, was ich vorher nicht kannte“, beschreibt sie. Daher appelliert sie an die Anwesenden, Betroffene zu ermutigen, sich zu öffnen und sie zu unterstützen.
Nicht alle machen diesbezüglich nur positive Erfahrungen. Trans Mann Pablo Valk, der derzeit eine Ausbildung im BBW absolviert, steht bei der an den Vortrag anschließenden Podiumsdiskussion zum ersten Mal vor Publikum. Er erzählt von seinem Coming-Out mit 13 Jahren und wie seine damaligen Pflegeeltern dies nicht akzeptiert hatten. Mit 16 Jahren zog der heute 21-Jährige in eine Wohngruppe und verließ die Schule in der elften Klasse. „Wie hätten dich die Lehrkräfte besser unterstützen können?“, fragte eine Lehrkraft aus dem Publikum. „Die Lehrkräfte haben alles richtig gemacht, haben mich mit männlichem Vornamen angesprochen, ich durfte die Männertoilette benutzen. Aber auf dem Transweg konnten sie mir nicht helfen. Den Weg muss jeder für sich allein gehen“, erzählt Valk. Und er ging diesen Weg, sobald es ihm möglich war, mit 18 Jahren.
Es ist ein kraftzehrender Weg – nicht nur wegen einiger gesetzlicher Hürden bei der Namensänderung. Auch Entscheidungen gegen oder für hormonelle und kosmetischen Behandlungen sowie Operationen müssen getroffen werden. Gerade in dieser Übergangsphase sind die betroffenen Menschen überfordert, weiß Dahmer. Es sei wichtig, dass das Umfeld ihnen signalisiere, dass sie gut sind, wie sie sind. Auch Komplimente täten den Betroffenen gut, weiß die 61-Jährige.
Dahmer ist als trans Frau und Valk als trans Mann nur ein kleiner Teil der LGBTQIA+, also der lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle/transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen. Rund zehn Prozent der Menschen sind laut Schätzungen queer, so Dahmer.
Ihnen bietet die Netzwerkstellelle LSBT*IQ Nordhessen Unterstützung an, deren Vertretende Suse Umscheid und Casjen Griesel ebenfalls für Fragen bei der Podiumsdiskussion zur Verfügung standen.
Für Schulleiterin Vahland gehört das Thema definitiv in den Lehrplan. BBW-Leiterin Sauer zieht das Fazit: „Es war wichtig diesen Impuls zu geben. Wir als Berufsbildungswerk sind bereits empathisch unterwegs, werden uns aber weiterhin intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.“
Hintergrundinformation Bathildisheim e. V.
Der Bathildisheim e.V. ist ein diakonisches Sozialunternehmen. Dieser bietet in Nordhessen Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen an.
Es gibt eine Förderschule mit angeschlossenen Wohngruppen für Kinder, Wohnmöglichkeiten für Jugendliche und Erwachsende mit unterschiedlichen Unterstützungsformen, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sowie ein Berufsbildungswerk.
Zudem befindet sich in Kassel das PIKSL-Labor, welches mit einem inklusiven Team digitale Teilhabe fördern will.
Mit der Freizeitbörse Bunte Vielfalt werden Menschen mit gleichen Interessen zusammengebracht.
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